Vortragsreihe Interventionsstaat und soziales Recht
Kooperation
Das Hugo Sinzheimer Institut (HSI) und das Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie haben sich auf gemeinsame Aktivitäten zur Förderung der Geschichte des Arbeitsrechts verständigt. Dazu sind diese Einrichtungen aus ihrem jeweiligen Selbstverständnis geradezu prädestiniert, technisch gefördert durch die räumliche Nähe in Frankfurt am Main.
Das Arbeitsrecht bietet in seiner historisch gewachsenen Ausformung mit ihren verschiedenen normativen Schichten (staatliches – nationales und supranationales – Recht, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) ein geradezu klassisches Beispiel für Regulierung jenseits einer monistischen Staatlichkeit. Indem ein starker Akzent auf das rechtstheoretische Themenfeld ‚Private Gesetzgebung und avancierte Governance’ gesetzt wird, trägt die Initiative zur Entwicklung der Forschungen zu Multinormativität auf einem wichtigen Feld bei.
Mit dem HSI verfügt das mpilhlt über einen leistungsstarken Projektpartner. Er kann insbesondere dazu beitragen, den gebotenen Wissenstransfer zwischen historischer Grundlagenforschung und ‚geltendem Recht’ zu unterstützen. Das HSI sieht sich als Forschungsinstitut ausdrücklich in der Tradition seines Namensgebers Hugo Sinzheimer. Als Wissenschaftler begründete er die ‚normative Kraft des Tarifvertrages’ und trug mit seinen Ideen maßgeblich zur verfassungsrechtlichen Verankerung von Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie bei. In diesem Sinne pflegt das HSI ein Verständnis arbeits- und sozialrechtlicher Forschung, das diese unterschiedlichen Aspekte integriert und auch soziologische, rechtspolitische, internationale und rechtsvergleichende Elemente umfasst.
Seit 2015 veranstaltet die Initiative eine Jahrestagung. Außerdem besteht ein fester Arbeitskreis, der rechtswissenschaftliche Grundlagenforscher und Praktiker des Arbeitsrechts und der industriellen Beziehungen zusammenführt. Der Arbeitskreis unterstützt die arbeitsrechtshistorische Rubrik der Fachzeitschrift ‚Arbeit und Recht‘.
Vortragsreihe: Interventionsstaat und soziales Recht
Das Arbeitsrecht der Industriegesellschaft ist ein multinormatives Feld ersten Ranges. Ab dem 19. Jahrhundert war hier zunehmend der Staat der wichtigste Akteur. Gleichzeitig nahm aber auch die Bedeutung nichtstaatlich gesetzter Normen zu. Ungeachtet aller Konflikte zwischen Staat und Gewerkschaften vor dem Ersten Weltkrieg trat der Antagonismus zwischen Staat und Verbänden zunehmend in den Hintergrund. Der für Wirtschafts- und Sozialpolitik immer mehr zuständige Staat profitierte von den Verbänden, die sich gleichzeitig im hoheitlichen Bereich betätigen durften. Dies war auch der Anlass für die Entstehung einer ‚nicht-staatlichen Normativität‘, ‚private Gesetzgebung‘ in Form von Tarifverträgen. Insbesondere in Deutschland wurde diese neue Normativität zu einem frühen Zeitpunkt vom Staat kontrolliert.
Die Vortragsreihe ‚Intervention State and Social Law‘ lenkt die Aufmerksamkeit auf die Historie der eben beschriebenen Multinormativität, ihre Strukturen und ihre Schlüsselfiguren anhand ausgewählter Schwerpunkte. Sie ist multidisziplinär, vornehmlich zwischen den Wissenschaften von Geschichte, Arbeitsrecht und Sozialwissenschaften, und im Rahmen beider teilnehmenden Institutionen öffentlich; ein weiterer Personenkreis wird jeweils eingeladen. Die Veranstaltung ist Teil der ‚Initiative Arbeitsrechtsgeschichte‘ und erinnert auch an ein Forschungsgebiet des 2021 verstorbenen Rechtshistorikers Michael Stolleis (1941—2021), der diese Initiative unterstütze und begleitete.
Der erste Vortrag wurde am 20. Mai 2022 von dem Politikwissenschafter Philip Manow (Universität Bremen) zu dem Thema ‚Social Protection, Capitalist Production: Der Sozialstaat und die Entstehung eines koordinierten Kapitalismus in Deutschland, 1880-1960‘ gehalten, ihm folgte die Historikerin Hedwig Richter (Universität der Bundeswehr München) am 19. Januar 2023 über ‚Soziale Inklusion. Überlegungen zur Demokratiegeschichte des 19. Jahrhunderts.‘ Weitere Vorträge sind in Planung.