Warburgs Staatstafeln

Meine Forschung gilt grundsätzlich dem Verhältnis zwischen Recht und Bild sowie dem Verhältnis zwischen Rechts- und Bildwissenschaft. Die Methode, derer ich mich bediene wird als Kulturtechnikforschung (Vismann, 2010; Steinhauer, 2015) bezeichnet. In einem Teilprojekt dieser Forschung befasse ich mich mit einer Schlüsselfigur der Moderne im Übergang zwischen dem späten 19. Jahrhundert und dem frühen 20. Jahrhundert: Aby Warburg. Der war nicht nur Kunsthistoriker, Kultur- und Bildwissenschaftler. Er war auch ein Banker, ein Rechtswissenschaftler und ‚Polarforscher‘ - alle Berufe hängen bei ihm zusammen und formieren einen eigenen wissenschaftlichen Gegenstand.  Das Projekt beschäftigt sich mit diesen drei letztgenannten Berufen Warburgs. Es beschäftigt sich weiter mit dem so entwickelten Gegenstand:  der sowohl als Recht als auch als Bild bezeichnet werden kann.

Zwischen 1896 und 1929 entsteht in mehreren Schüben eine Wissenschaft vom Recht und vom Bild, in der Recht und Bild weder ausdifferenziert noch stabil oder stabilisierend sind. Warburg interessiert sich für ein polares und polarisiertes Recht, also ein Recht, durch das eine Bewegung geht, in der Kehren, Kippen, Wendungen und Drehungen vorkommen – und das in Form von Bildern erscheint. Recht heißt in dem Sinne auch Regung, also auch regendes Bild.  Warburg rekonstruiert die Geschichte des Rechts nicht als Geschichte der Dogmatik, der Gesetzbücher, Verträge oder Entscheidungen, sondern als Geschichte der Kalender, Akte(n), Formeln, Protokolle,  derjenigen Kulturtechnik, die er ‚Distanzschaffen‘ nennt und zu der präzise Vorstellungen über Symbolisierungen entwickelt.

 Warburgs Begriff des Distanzschaffens erinnert an Iherings Idee der Rechtswissenschaft als einer Scheidekunst. Warburg verbindet damit aber keine Theorie der Abstraktion, der Isolierung und einer fortschreitenden Differenzierung, sondern eine Theorie unbeständigen oder meteorologischen Rechts. 1929 legt Warburg mit zwei Tafeln aus dem Bildatlas, an dem er seit 1924 arbeitet, ein Ergebnis seiner Forschung vor. Diese zwei Tafenl gelten den Lateranverträgen sowie Mussolinis Versuchen, internationale Kreditwürdigkeit zu erlangen.  Das Projekt stellt die Geschichte und Theorie dieser Tafeln vor und entwickelt die These, dass diese Tafeln sowohl die Summa als auch ein Manual von Warburgs Bild- und Rechtswissenschaft sind.

Zur Redakteursansicht