Globale Arbeitsrechtsgeschichte
Forschungsprojekt
Arbeitsrechtsgeschichte ist in vielen Ländern eine Nischendisziplin, mit der sich nur wenige Expert*innen beschäftigen. Dabei handelt es sich entweder um Jurist*innen, die sich auf das Arbeitsrecht spezialisiert, oder um Historiker*innen, die einen arbeitsgeschichtlichen Hintergrund haben. Ihnen ist gemein, dass sie sich auf nationale Kontexte beziehen und diese nur selten im Zusammenhang mit dem Arbeitsrecht anderer Nationen betrachten (mit Ausnahme des europäischen Arbeitsrechts oder internationaler Regelungen im Kontext der Internationalen Arbeitsorganisation). Es fehlt bisher an Studien mit Verflechtungsgeschichten, an vergleichender Literatur und an Forschungsfragen, die Ähnlichkeiten und Unterschiede verschiedener nationaler Entwicklungen untersuchen (es sei denn, die historischen Verknüpfungen sind offensichtlich, wie im Fall der Kolonialgeschichte).
Diese Beobachtung wurde bereits in den frühen 2000er Jahren von Kolleg*innen am Internationalen Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam gemacht – zu einer Zeit, als die Arbeitsgeschichte insgesamt neue Wege beschritt und globale Perspektiven einnahm.1 Daraus haben sich inzwischen viele Forschungsprojekte und Publikationen entwickelt. Global Labour History ist heute ein anerkanntes Feld, in dem vielfältige Forschungen betrieben werden. Doch wie sieht es mit der Global Labour Law History aus? Haben hier ähnliche Entwicklungen stattgefunden?
Das Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie hat in den letzten Jahren einige methodische Vorschläge für eine Global Legal History entwickelt und einen analytischen Rahmen vorgeschlagen, der hilft, normative Ordnungen als Ergebnis normativer Praktiken zu verstehen und sie als historische Normativitätsregime zu betrachten. So untersuchen wir im Forschungsprojekt Nichtstaatliches Recht der Wirtschaft Normen und Regelungen in den Arbeitsbeziehungen des 19. und 20. Jahrhunderts, die nicht vom Staat gesetzt, sondern von einem vielfältigen Feld von Akteur*innen und Institutionen ausgehandelt, kodifiziert und in Frage gestellt wurden. Dieser neue Ansatz scheint geeignet, einen neuen Blick auf die Geschichte des Arbeitsrechts zu werfen und Arbeitsrechtshistoriker*innen miteinander ins Gespräch zu bringen.
Als Auftakt dieser Initiative fand eine Konferenz zum Thema "Labor Law History from a Global Perspective: Collective Workplace Disputes and their Normative Contexts" (12.-13. September 2023) statt, auf der sich interdisziplinär, epochen- und länderübergreifend über Möglichkeiten der Vernetzung und thematischen Schwerpunkte verständigt wurde (siehe Programm).
Die zweite Konferenz fand vom 3.-4. September 2024 statt und beschäftigte sich mit "Founders and Shapers of Labour Law. National and transnational perspectives". Mitorganisatorin war Professor Rebecca Zahn, University of Strathclyde. Die Ergebnisse werden in einer Publikation veröffentlicht.
1 Van der Linden, Marcel and Richard G. Price (eds). The Rise and Development of Collective Labour Law. International and Comparative Social History, Bern etc.: Lang 2000.