Das Recht im kolonialen Spanisch-Amerika zwischen geistlicher und weltlicher Sphäre
Band 348 der Studien zur europäischen Rechtsgeschichte erschienen
Während des Mittelalters und der frühen Neuzeit bildeten sich die Bedeutungen von Begriffen wie Urteil und Jurisdiktion, Recht und Gerechtigkeit in einem ständigen Dialog zwischen Rechtswissenschaft und Moraltheologie heraus. Die hier versammelten Studien zeichnen Grundlinien dieser Geschichte am Beispiel des in Hispanoamerika geltenden Rechts („derecho indiano“) nach. Die Untersuchung dieser Verflechtungen offenbart die besonderen Aspekte des regalistischen Ansatzes und präzisiert das Verhältnis von weltlicher und kirchlicher Macht samt den prägenden Institutionen in den spanischen Überseegebieten zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert.
Neben den mittelalterlichen Wurzeln des „derecho canónico indiano“ erläutert Orazio Condorelli quellengesättigt und anschaulich die flexiblen Grenzen zwischen den Machtsphären, die auch Raum für gemischte Zuständigkeiten vor Gericht ließen. Besonderes Augenmerk widmet er dem Status schutzwürdiger miserabiles personae, zu denen auch die Indigenen gehörten, und den damit verbundenen prozessrechtlichen Konsequenzen – ein Bereich, in dem es zu Konflikten und Überschneidungen zwischen beiden Gewalten kommen konnte. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Debatte über die Rechtsmittel von der traditionellen Berufung bis zum „recurso de fuerza“: letzteres eine besondere Ausprägung des Regalismus im komplexen säkular-religiösen Gefüge im frühneuzeitlichen Hispanoamerika.
Aus der Beschäftigung mit dem Begriff „Juicio“, den der Autor für das vom mpilhlt herausgegebene Diccionario Histórico de Derecho Canónico en Hispanoamérica y Filipinas (S. XVI–XVIII) [Hyperlink: https://dch.hypotheses.org/] behandelte, ist dieses Buch entstanden.
Orazio Condorelli ist Professor für Kirchenrecht an der juristischen Fakultät der Università Catania.