Förderpreis Europäische Verwaltungsgeschichte 2024
Der von Erk Volkmar Heyen (emeritierter Professor für Öffentliches Recht und Europäische Verwaltungsgeschichte an der Universität Greifswald) gestiftete „Förderpreis europäische Verwaltungsgeschichte“ wendet sich an Nachwuchswissenschaftler. Er verbindet die Würdigung bereits erbrachter Forschungsleistungen mit der Anregung eines neuen Forschungsprojekts.
Preisträgerin des Jahres 2024 ist Marion Dotter. Gewürdigt wurde ihre Dissertation über die Nobilitierungspraxis in der k. u. k.-Monarchie („Adelspolitik in der späten Habsburgermonarchie. Kulturen des Entscheidens in der Nobilitierungspraxis während der Regierungszeit Kaiser Franz Joseph I. (1848–1916)“). Verwaltungs- und Adelsgeschichte werden dabei konsequent zusammengedacht und die historische Politikfeldanalyse als junger geschichtswissenschaftlicher Ansatz auf die Symbolpolitik des 19. Jahrhunderts angewandt. Zentral ist die Frage, welche „Kultur des Entscheidens“ die habsburgische Nobilitierungspraxis ausbildete und wie sie dabei vor allem von der staatlichen Administration geprägt wurde. Die Verwaltungsorgane der Donaumonarchie waren nicht nur maßgebliche Akteure des Entscheidungsprozesses, sie hatten auch großen Einfluss auf das staatliche Verständnis von Adeligkeit. Die Behörden handelten diese Frage nicht nur mit dem Kaiser, den Antragstellern und der Öffentlichkeit aus – auch zwischen den einzelnen administrativen und politischen Institutionen waren die Meinungen vielfältig und anfechtbar. Die aus der Erblichkeit nobler Titel abgeleiteten Besonderheiten des Adelsrechts trugen zur Entwicklung eines Politikfelds „Adel“ bei.
Mit dem Preis gefördert wird ein Projekt zur Bittschriftenpraxis der katholischen Kirche („Private Verwaltungssysteme zwischen Nation, Emotion und Caritas. Bittschriften an kirchliche Einrichtungen im 19. Jahrhundert“). Dieses möchte die Quellengattung Bittschriften für mehrere Forschungsbereiche des 19. Jahrhunderts fruchtbar machen: Zunächst zu stellen und zentral ist die Frage nach der Rolle von Suppliken im Verwaltungshandeln unterschiedlicher katholischer Institutionen, also dem internen Umgang mit ihnen und der Bedeutung einzelner „Entscheider“. Davon ausgehend soll gefragt werden, inwiefern die kirchlichen Akteure in Anbetracht der Vielzahl der an sie herangetragenen Suppliken strukturelle, gesamtgesellschaftliche Probleme erkannten und ihre traditionelle Caritas zu einer institutionalisierten Form humanitärer Hilfe weiterentwickelten. Schließlich soll aus dem Blickwinkel der Bittsteller nachvollzogen werden, welche Erwartungen und Vorstellungen sie an die katholische Kirche als einen Hort der Nächstenliebe richteten und mit welchen „Erwartungserwartungen“ sie sich gleichzeitig selbst – zwischen Konfession und Nation – charakterisierten.