Soziale Freiheit und Privatrecht

Moritz Reichenbach

In den vergangenen Jahren ist ein „sozialer“ Freiheitsbegriff in den Fokus der Sozialphilosophie gerückt, der die Vollständigkeit der herkömmlichen Unterscheidung zwischen „negativer“ und „positiver“ Freiheit in Frage stellt. Er beruht auf der Prämisse, dass sich wesentliche Aspekte der Teilnahme an sozialen Interaktionsformen, die wir heute als integralen Bestandteil eines „gelungenen“ Lebens und damit auch der Verwirklichung individueller Freiheit betrachten, nicht angemessen erfassen lassen, wenn man letztere auf das Innehaben einer privaten Willkürsphäre und die Fähigkeit zur Hervorbringung autonomer bzw. authentischer Wünsche reduziert. Namentlich gerät hier aus dem Blick, dass sich der Einzelne im sozialen Kontext nur dann vollkommen ungezwungen entäußern kann, wenn er mit seinen intersubjektiven Wünschen auch auf entgegenkommende Haltungen und Bestrebungen seiner Mitmenschen stößt. Erst dort, wo die individuellen Absichten der Individuen so ineinandergreifen, dass sich ihre Realisierung gleichsam wechselseitig bedingt, wird die soziale Praxis zum Medium bzw. Träger einer „sozialen“ Form von Freiheit.

Der Versuch, neben dem breiten Spektrum der persönlichen Nähebeziehungen und dem Prozess der demokratischen Willensbildung auch die „Marktwirtschaft“ als eine Sphäre sozialer Freiheit zu denken bzw. in eine solche zu transformieren, wirft möglicherweise ein neues Licht auf einen privatrechtlichen Regelungskörper, der nach traditionellem Verständnis (vor allem) der Absicherung der „Privatautonomie“ des einzelnen Marktteilnehmers dient und damit den überkommenen individualistischen Freiheitsvorstellungen verhaftet scheint. Der hiermit aufgeworfene Fragenkreis bildet den Gegenstand meines Forschungsprojekts.

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