Aus der Tiefe des Raumes: ›Rechtsräume‹ sind erschienen
Erschafft Recht den Raum – oder bedingt der Raum ein Recht? Und wie lässt sich die Übertragung einer normativen Ordnung auf einen ›vorhandenen‹ Raum erfassen, in dem zuvor keine, eine oder gar mehrere Rechtsvorstellungen bestanden? Dies waren die leitenden Fragen eines Kolloquiums, dessen Erträge nun als Band 323 der Studien zur europäischen Rechtsgeschichte – und viertem Band der Unterreihe ›Rechtsräume‹ – erschienen sind.
Im Fokus des farbig illustrierten Sammelbandes steht die Analyse dynamischer Veränderungen durch die räumliche, sprachliche und kulturelle Übertragung von Normen und Praktiken im europäischen Früh- und Hochmittelalter. Archäolog/innen und Historiker/innen untersuchen derartige Prozesse hier gemeinsam. Das Spektrum der Inhalte reicht dabei von der Forschung an ›ancient DNA‹ im archäologischen Kontext über die historiographische (Re-)Konstruktion von Identitäten bis zur Untersuchung des Verhältnisses von Topographie und Herrschaft. Gleich vier Beiträge zur archäologisch-bauhistorischen Pfalzenforschung in Aachen und Ingelheim am Rhein gewähren neue Einblicke sowohl in die Palastarchitektur mit ihrem repräsentativen Bauprogramm als auch in das Weichbild der zugehörigen Siedlungen und ihrer naturräumlichen Umgebung.
Deutlich profitiert die Forschung auch von der Beteiligung der Naturwissenschaften, wie die mit paläogenetischen Methoden durchgeführten Fallstudien zur Frühgeschichte Europas, aber auch zu Byzanz und zu den Langobarden zeigen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit lässt ein vielseitiges Bild von Raum, Recht und Herrschaft hervortreten – sei es im römischen Reich, am Beispiel der Karolinger, im Königreich Burgund oder im frühmittelalterlichen Skandinavien.